Der „listenreiche Erfinder“ – KZ bei Käutner

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Zu jener Zeit – als Josef Goebbels im Mai 1933 sagte: „Das Zeitalter des überspitzten jüdischen Intellektualismus ist vorbei“ – war todesmutiger Mut und List nötig um der Kalt-Ekstase der Macht zu wiederstehen. Ein kurzer Kameraschwenk zu AntiEkstaseEvents, zu einem „Schmuggler“, der mit der „List der Vernunft“ in dem MedienEvent Film AntiMedien gegen die herrschende Zensur der NaziGehorsamEkstaseGesellschaft  schmuggelte.
Im September 1941 wurde den jüdischen Bürgern in Deutschland das sichtbare Tragen des gelben Sterns verordnet; dadurch wurden sie unfreiwillig zu Opfer gemacht.
Gleichzeitig organisierte Heydrich bis in das Jahr 1942 hinein die „Endlösung der Judenfrage“, indem er die seit 1933 errichteten Konzentrationslager vollends zu VernichtungsLager ausbauen ließ, mit Gaskammern und Krematorien und Fabriken in denen Fremdarbeiter in den Dienst der Wehrwirtschaft gestellt wurden; die über fünfzig Jahre „danach“ – wenn es ein „danach“ gibt – keinerlei Respektierung und Zuwendung erfahren haben, nicht von den Konservativen und nicht von den Sozialdemokraten.
Das „Unsagbare“, Grauen der Nazizeit, die Mischung aus paroxysmal (Pathologischer Anfall), perverssexuellen sich entladenden BlutRauschEvents, als nekrophile EkstaseFeste – „Kriege sind perverse sexuelle Rituale“, Lloyd deMause -, „heiße“ Grausamkeit (Alexander Mitscherlich), und sachbearbeitende, bürokratische, buchhalterische Schreibtischverwaltungsakte, „kalte“ Grausamkeit (Mitscherlich), sortierte in wertes und unwertes Leben, und wurde  insbesondere in einer neuartigen Verfahrensweise vernichtet. Im wahrsten Sinne des Wortes „säuberten“ sich Nazis in dem pervers-sexuellen Ritual der Opferung durch Tötung beim duschen.
Einige Monate zuvor, im Juni ´41, war die deutsche Wehrmacht zum rassenideologischen Vernichtungskrieg gegen Rußland aufgebrochen.
Offenbar die Mehrheit der nichtjüdischen Deutschen reagierte auf das Tragen des gelben Sterns mit einer Mischung aus Scham und Sympathie für die Juden. „Es scheint“, schreibt David Bankier in „Die öffentliche Meinung im Hitler-Staat, Die ´Endlösung` und die Deutschen, Eine Berichtigung“, „es scheint, als sei der Stern in Deutschland so wie in Frankreich als etwas Lächerliches angesehen worden. Im Volksmund hieß er ´Gelber Ehrenstern` oder ´Pour le sémité. Fredborg (schwedischer Korrespondent in Berlin) berichtet, daß er sogar von Leuten, die mit den Nationalsozialisten zusammenarbeiteten, als kontraproduktiv angesehen wurde“.
Albert Speer schreibt, Goebbels teilte Hitler mit, die Einführung des Judensterns habe das Gegenteil von dem bewirkt, was man damit beabsichtigt hatte: „Wir wollten die Juden aus der Volksgemeinschaft ausschließen. Aber die einfachen Menschen meiden sie nicht, im Gegenteil, sie zeigen überall Sympathie für sie. Dieses Volk ist einfach noch nicht reif und steckt voller Gefühlsduseleien“.
Am 24. Oktober 1941 drohte ein Erlaß allen Deutschen eine dreimonatige Haft an die mit Juden sympathisierten. Goebbels verschickte diesen Erlaß als schwarzes Blatt mit gelbem Stern aufgedruckt zusammen mit den monatlichen Lebensmittelkarten an die deutschen Familien, worauf der Satz stand: „Deutsche, das ist Euer Todfeind“.
Von anfänglicher Gleichgültigkeit hatte sich die Haltung der Bevölkerung durch die Einführung des gelben Sterns zu Freundlichkeit, Mitleid und Scham gewandelt, um nun durch die verschärfte Unterdrückung und Bedrohung des Gewaltsystems in Angst, Verdrängung und Empfindungslosigkeit umzuschlagen und sich als Wirklichkeit zu gewöhnen, die nicht mehr als solche kritisch wahrgenommen wurde (Bankier).
Die systematische Massenverfolgung und Deportationen der Juden und ihre Vernichtung in Konzentrationslager begann im Juni 1942. Im selben Jahr avancierte Helmut Käutners Filmkomödie, „Wir machen Musik“, mit Ilse Werner, Viktor de Kowa, Grethe Weiser und Georg Thomalla zum Kassenschlager der Saison. Die Dreharbeiten dauerten vom 2. Juni  1942  bis Ende Juli. Am 3. Oktober ging der Film durch die Zensur und am 8. Oktober war die Uraufführung im Berliner Marmorhaus. Der Film erhielt die Prädikate „künstlerisch wertvoll, Volkstümlich wertvoll, Anerkennenswert“.
Helmut Käutner hatte das Drehbuch nach dem Lustspiel „Karl III. und Anna von Österreich“, von Manfred Rössner und Motiven von Erich Ebermayer geschrieben. Der Musikpädagoge und Komponist Karl Zimmermann, gespielt von Viktor de Kowa, verliebt sich in seine Schülerin Anni Pichler, gespielt von Ilse Werner, die sich gegenseitig romatisierend Karl III. und Anna von Österreich nennen.
Als Karl Zimmermann einen Abend in Begleitung einer Bekannten (Grethe Weiser) in einem Tanzclub verbringt, in dem seine Schülerin als Sängerin der Kapelle auftritt, läßt er ihr durch einen Kellner einen Zettel überbringen, auf dem steht: „Bitte kommen Sie in der Pause an unseren Tisch. KZ“.
„Die Filme, die Helmut Käutner während der Nazijahre drehte, waren seine besten überhaupt, die Vorsicht, mit der er zu Werke gehen mußte, spornte seine Kunst der subtilen Spitzfindigkeiten an …“, schreibt der Dramaturg und Filmhistoriker Klaus Völker 1992, und weiter: „Es war in seinem Fall ein großer Vorteil, daß er das ihm Wesentliche ‚versteckt´ im Formalen und im Handwerklichen zeigen mußte. Die Zensur machte ihn ausgesprochen erfinderisch“.
Und der Filmpublizist Karsten Witte schreibt, daß Käutner stets „eine Fahne hochhielt: die, die einen Ausweg in die Ironie oder einen zum dritten Ort wies“.
In seinem ersten Film „Kitty und die Weltkonferenz“, 1939, ließ Käutner den Namenszug am Hotel „Eden“ verheißungsvoll mit der Kamera an dem nach vielen Konflikten im Laufe des Films erprobten Paar zukunftweisend vorüberziehen.
In „Große Freiheit Nr. 7“, 1943/44, steht Hans Söhnker in einer Hafenkneipe am Spielautomaten dessen neon-bunte Botschaft die Kamera erfaßt: „Wer wagt, gewinnt“.
„In jenen Tagen“ wurde vor Kriegsende konzipiert und von Käutner das Drehbuch geschrieben. In der ersten Episode des Films zeigt die Kamera eine Zahl auf der Frontscheibe eines Autos eingeritzt, das in Berlin „Unter den Linden steht“: „30/1/33“. Die vermeintliche Telefonnummer erweist sich als das Datum von Hitlers Machtergreifung und dem Marsch durch das Brandenburger Tor.
In einem Gespräch zwischen Edmund Luft und Helmut Käutner, das unter dem Titel: „Kunst im Film ist Schmuggelware“ abgedruckt wurde, betont Käutner : „… ich habe ja selten Zeitkritik gemacht, außer im Heiteren, sondern fast immer nur Zeitaufzeigung, Darstellung, was ist. Heute gibt es dafür das beliebte Schlagwort ‚Dokument´“.
In „Wir machen Musik“ zeigt zum Schluß die Kamera de Kowa auf dem Balkon seiner Wohnung, wie er direkt in die Kamera spricht, das Publikum direkt anspricht und ihm einen Hinweis zur Verdunkelung bei Luftalarm gibt, 1942.
Dieser Hinweis auf die gänzlich unfilmische Wirklichkeit des Alltags sowie die Szene in der Anni den Zettel vom Kellner erhält mit der Unterschrift unter der Botschaft, „KZ“, fehlen im ursprünglichen Drehbuch „Karl III. und Anna von Österreich“ von Manfred Rössner aus 1939. Und beide Szenen fehlen in dem Remake „Wir machen Musik“, als TV-Produktion des Süddeutschen Rundfunk ARD von 1966, unter der Regie und nach dem Drehbuch von Karl Vibach, der den Stoff nun in die sechziger Jahre verlegte.
Die Schlußszene in der Produktion von 1942 mit dem Hinweis zur Verdunkelung bei Luftalarm hat Käutner bewußt in den Film plaziert. Über die Szene mit dem Hinweis „KZ“, der „Zeitaufzeigung, Darstellung, was ist“, hat Käutner offensichtlich öffentlich nie gesprochen, nicht geschrieben und wahrscheinlich hat auch kein Kritiker diese Stelle je erwähnt, und: sie wurde von der nationalsozialistischen Zensur nicht reflektiert. Der primitive Bewußtseinsstand der NaziZensoren war wohl derartig Selbstverblendet, daß sie Direktheiten, „Deutungen“, wie das Datum von Hitlers Machtergreifung oder die „Rune“ KZ nicht bewußt erfassen konnten.
War Käutner bewußt, daß er als Unterschrift für die Botschaft : „Bitte kommen Sie in der Pause an unseren Tisch“, „KZ“, gewählt hatte, und eben nicht Karl, oder Karl Zimmermann, oder Zimmermann, oder Prof. Zimmermann, oder K. Zimmermann, oder Karl Z.?
War es eines seiner gewollten AntiListEvents, oder war die List der Vernunft ihm so sehr eigen geworden, daß es ein intuitives AntiEklstaseListEvent war?
Ilse Werner war erstaunt über „KZ“ und sagte, daß sie und ihre Kolleginnen und Kollegen das nie erwähnt hätten, „und Helmut auch nicht“ – Odysseus, der listenreiche Erfinder des „Trojanischen Pferdes“.